Europäisches Sozialversicherungsrecht Frankreich - Die A1-Bescheinigung

 

Aufgrund der europarechtlich garantierten Grundfreiheiten benötigen Arbeitnehmer, Freiberufler und Unternehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU arbeiten möchten dort keine Arbeitserlaubnis mehr. Erforderlich ist jedoch die sogenannte „A1-Bescheinigung“, welche die Zugehörigkeit der Person zum Sozialversicherungssystem eines bestimmten Landes festlegt. Zum einen soll hierdurch verhindert werden, dass zum Beispiel nach einem Arbeitsunfall eines Deutschen in Frankreich unklar bleibt, ob der deutsche oder der französische Unfallversicherungsträger für die Zahlung der Behandlungskosten zuständig ist. Zum anderen gilt im europäischen Sozialversicherungsrecht das Prinzip, dass ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger immer nur den Sozialversicherungsvorschriften eines Mitgliedstaats der EU unterliegt. Somit sind auch nur in einem Land Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Die A1-Bescheinigung soll also auch davor schützen, dass eine Person in zwei Ländern Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

 

Die A1-Bescheinigung ist in Art. 19 Abs. 2 der Verordnung EG Nr. 987/2009 geregelt. Danach bescheinigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats dessen Rechtsvorschriften anwendbar sind, auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers, dass und ggf. wie lange und unter welchen Voraussetzungen diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Ein deutscher Arbeitgeber, der für sein Unternehmen Arbeitnehmer für bis zu 24 Monate nach Frankreich oder einen anderen Mitgliedstaat der EU entsenden möchte, hat die Bescheinigung über die Fortgeltung der deutschen Sozialversichungsvorschriften (A1-Bescheinigung) gemäß § 106 Abs. 1 SGB IV für seine Arbeitnehmer elektronisch bei der zuständigen Stelle zu beantragen. Für selbstständig Tätige folgt eine entsprechende Verpflichtung aus § 106a Abs. 1 SGB IV. Für die Ausstellung der A1-Bescheinigungen sind in Deutschland je nach Krankenkasse die Verbindungsstelle des GKV- Spitzenverbandes oder die Krankenkasse des Arbeitnehmers oder des Selbstständigen selbst zuständig.

 

Doch gilt die Pflicht zur Mitführung der A1-Bescheinigung auch bei ganz kurzen Dienstreisen, zum Beispiel von nur einem Tag? Ja, sie gilt auch dann, es gibt keine Ausnahme. Zu beachten ist, dass ein Antrag auf Ausstellung der A1-Bescheinigung in jedem Fall vor der Reise zu stellen ist. Die Behörden sind nach §§ 106, 106a SGB VI verpflichtet, die A1-Bescheinigung innerhalb von drei Tagen auszustellen. In der Praxis werden die A1-Bescheinigungen zumeist jedoch so schnell nicht ausgestellt. In Frankreich ist zusätzlich zur Mitführung der A1-Bescheinigung noch zu beachten, dass ein Arbeitgeber vor Beginn eines Arbeitseinsatzes diesen über das Portal „SIPSI“ zu melden und eine Kontaktperson zu benennen hat. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen drohen hohe Bußgelder.

 

Und was geschieht, wenn Sie trotz vorhandener A1-Bescheinigung, die Sie dem deutschen Sozialversicherungssystem zuordnet, von einem französischen Sozialversicherungsträger, zum Beispiel dem URSSAF aufgefordert werden, auch in Frankreich Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen? Dies ist unzulässig, denn die Artikel 11 ff. der EU-Verordnung EG 883/2004 bestimmen, dass stets nur das Recht eines Mitgliedstaates anzuwenden ist. Die Einzelheiten hierzu sind in Art. 12 ff. der Verordnung geregelt. Es ist möglich, in einem solchen Fall bei der zuständigen Behörde Widerspruch einzulegen („recours gracieux“). Hierbei vertrete ich Sie gerne.

 

In Bezug auf Frankreich sollte man wissen, dass die dortigen Sozialversicherungsbeiträge „contribution sociale généralisée (CSG)“ und „contribution pour le remboursement de la dette sociale (CRDS)“ von der französischen Rechtsprechung früher nicht als Sozialversicherungsbeiträge, sondern als Steuern betrachtet wurden. Dies hatte zur Folge, dass sie trotz Sozialversicherungspflicht eines Bürgers in einem anderen Mitgliedstaat auch von den französischen Behörden erhoben wurden, da aus französischer Sicht keine doppelte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen vorlag. Dies betraf zum Beispiel Grenzgänger, die in Frankreich wohnten, aber in Deutschland arbeiteten.

 

Das höchste französische Zivilgericht, das Kassationsgericht (Cour de cassation) ist von dieser Sichtweise bereits infolge eines Urteils des EuGH vom 15.02.2000 (Rechtssache C-34/98) abgerückt. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 26.02.2015 (Rechtssache Ministre de l'économie et des finances c/ Gérard de Ruyter, aff. C-623/13) entschied, dass selbst dann wenn eine Abgabe innerstaatlich als Steuer bezeichnet wird dies nicht ausschließt, dass die Verordnung EG 1408/71, d.h. die Vorgängerverordnung zur EU-Verordnung EG 883/2004 über die soziale Sicherheit zur Anwendung kommt, hat sich auch der Staatsrat (Conseil d'Etat), d.h. das höchste französische Verwaltungsgericht der Sichtweise angeschlossen.

 

Es kommt gleichwohl immer noch vor, dass gerade zu Beginn eines Aufenthalts in Frankreich die Sozialversicherungsbeiträge doppelt, d.h. in Deutschland und in Frankreich von Ihnen gefordert werden. Gerne berate ich Sie zur A1-Bescheinigung und helfe Ihnen, unberechtigt geforderte Beiträge sowohl gegenüber deutschen oder französischen Sozialversicherungsträgern abzuwehren. Selbstverständlich berate ich Sie auch in allen anderen Fragen des europäischen Sozialversicherungsrechts. Nehmen Sie gerne Kontakt auf.

 

 

 

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