Blindengeld muss auch nach Wohnsitzverlegung nach Österreich gezahlt werden

Mit Urteil vom 10.06.2021, Az.B 9 BL 1/20 R hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass eine deutsche Rentnerin, die seit 20 Jahren in Österreich lebt einen Anspruch auf Blindengeld nach dem sächsischen Landesblindengeldgesetz hat. Die Klägerin bezog in Österreich eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung und war weiterhin bei der AOK gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Die österreichischen Behörden lehnten ihren Antrag auf österreichisches Pflegegeld unter Verweis auf die deutsche Krankenversicherung ab. Ihr in Sachsen gestellter Antrag auf Landesblindengeld wurde wiederum wegen des Wohnsitzes in Österreich abgelehnt. Auch das Sozialgericht Chemnitz und das Landessozialgericht Sachsen wiesen die Klage ab und begründeten dies damit, dass die Klägerin ihren Wohnsitz nicht in Sachsen habe, als Rentnerin wirtschaftlich nicht aktiv sei und daher nicht unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 falle und daher den sozialrechtlichen Vorschriften ihres Wohnsitzmitgliedstaats unterfalle. Das Bundessozialgericht gab ihr hingegen Recht und sprach ihr das Blindengeld zu.

 

Zwar erhalten nach dem sächsischen Landesblindengeldgesetz sehbehinderte Personen zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen Blindengeld, die ihren Wohnsitz in Sachsen haben. Allerdings habe die Klägerin trotz des Wohnsitzwechsels nach Österreich im Rahmen des persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Anspruch auf Landesblindengeld, da ihm Rahmen der Leistungen bei Krankheit nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) der VO (EG) Nr. 883/2004 deutsches Recht trotz Wohnsitzverlegung anwendbar bleibt. Nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 883/2004 dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Aus der Einordnung als Geldleistung bei Krankheit folgt somit die Aufhebung der sogenannten Wohnortklausel nach nationalem Recht (vgl. § 30 Abs. 1 SGB I, § 1 Abs. 1 Alt 1 LBlindG).

 

 

Einschränkungen der Exportierbarkeit folgen nicht daraus, dass die Blindheit erst nach dem Wegzug aus Sachsen aufgetreten sei. Das Landesblindengeld sei auch keine beitrasgsunabhängige Leistung im Sinne des Art. 70 der Verordnung, die nicht exportierbar sei. Zwar unterfielen Rentner als Nichterwerbstätige dem Recht ihres Wohnmitgliedstaats. Allerdings wäre hinsichtlich von Geldleistungen bei Krankheit von Personen, die Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erhalten immer dieser Mitgliedstaat zuständig. Da Blindengeld nach der Verordnung als Leistung im Krankheitsfall gilt und die Klägerin bislang in der AOK krankenversichert war, ist diese Tatsache maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des nationalen Rechts im Krankheitsfall und somit auch dafür, dass Blindengeld nach nationalem Recht gezahlt werden muss.